v.l.: Clemens Urbanek, Geschäftsführer IHK Düsseldorf; Roland Schüßler, Agentur für Arbeit Düsseldorf; Peter Inhoven, Dr. Christian Henke, Geschäftsführer HWK Düsseldorf.
v.l.: Clemens Urbanek, Geschäftsführer IHK Düsseldorf; Roland Schüßler, Agentur für Arbeit Düsseldorf; Peter Inhoven, Dr. Christian Henke, Geschäftsführer HWK Düsseldorf.

Pressemitteilung Nr. 59 vom 29.10.2015Wenn die Lust auf die Praxis ruft...

Zwei ehemalige Studenten lernen in der Metzgerei Inhoven den Fleischerberuf - sie sind Trendsetter.
Kammer legt positive Ausbildungs-Stichtagsbilanz vor

Michael Theil (29) und Alexander Bohn (23) lernen den Fleischerberuf in der Metzgerei Inhoven in der Werstener Dorfstraße in Düsseldorf. Das Besondere: Die beiden haben zuvor studiert. Und sind damit Trendsetter: Immer mehr angehende Akademiker entscheiden sich für die "Option A 2" - Adieu Uni, willkommen in der Lehre in einem Handwerksberuf. Rund zwei Prozent der Auszubildenden im Handwerkskammerbezirk Düsseldorf sind über einen "Studienausstieg" in handwerkliche Ausbildung gewechselt - Tendenz steigend. Und auch direkt vom Gymnasium führt der Weg immer häufiger in die Werkstatt-, Labor- oder Büroräume eines Handwerksunternehmens. Rund 14 Prozent der Azubis an Rhein, Ruhr und Wupper sind mittlerweile Abgänger mit weiterführendem Schulabschluss.

Dass der Ausbilder von Theil und Bohn Peter Inhoven heißt, ist kein Zufall. Die Agentur für Arbeit überreichte dem rührigen Lebensmittelhandwerker, der für seine trendigen und innovativen Wurstkreationen über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist, am Donnerstag vor Journalisten ein offizielles "Zertifikat für Nachwuchsförderung der Bundesagentur für Arbeit". Es würdigt hervorragendes Engagement des Unternehmens in der Ausbildung. "Seit über 25 Jahren bildet die Firma regelmäßig in ununterbrochener Kette junge Menschen aus - das ist vorbildlich", so Agenturchef Roland Schüssler.

Nicht nur in der In-Metzgerei Inhoven, auch in der Landeshauptstadt und kammerweit stimmen aktuell die Ausbildungszahlen im Wirtschaftsbereich. In Düsseldorf wurden zum Melde-Stichtag 1.052 neue Ausbildungsverhältnisse geknüpft (plus 0,7 % gegenüber dem Vorjahr), im Bezirk gelang nach vier Jahren mit rückläufigen Neuaufnahmen in diesem Jahr immerhin eine "schwarze Null" mit einem geringfügigem Plus bei insgesamt 6.489 neu zustande gekommenen Ausbildungsverträgen. Ständig gehen noch nachgemeldete Lehrverträge ein; die Schlussbilanz zum Jahresende dürfte um mindestens eintausend Lehrverhältnisse höher liegen. Studienaussteiger tragen zur Belebung des handwerklichen Ausbildungsmarktes durchaus bereits bei: "Nach mehreren Jahren mit rückläufigen Aufnahmezahlen hat die Handwerkskammer ihre Ausbildungsförderung noch einmal ausgebaut. Wir zeigen mehr Präsenz an weiterführenden Schulen, haben das 'Matching' verstärkt und halten ein spezielles Betreuungsangebot für Studienaussteiger vor. Die Maßnahmen greifen bereits", erläuterte der für Berufsbildung zuständige Geschäftsführer Dr. Christian Henke Hintergründe.

Zweimal "die richtige Entscheidung" - von der Uni ins Fleischerhandwerk:

Alexander Bohn (23) hat nach zwei Semestern Archäologie in Münster eine akademische Laufbahn verworfen. "Das ist ein Hobby, kein Beruf. Unter einem Beruf stelle ich mir etwas breit Gefächertes vor. Nicht, dass man acht Wochen lang die Unterschiede im Faltenwurf zwischen assyrischen und babylonischen Gewändern analysiert". Und weshalb hat er sich für den Umstieg eine Lehre in einem Handwerk ausgesucht, das im Ranking der gefragtesten Ausbildungsberufe keinen Top-Platz belegt? Alexander Bohn: "Ich liebe Fleisch."

Michael Theil hat sein Biologiestudium sogar abgeschlossen. Das Genom, der genetische Bausatz von Lebewesen, fesselt den 29-jährigen Biologen. Auch die funktionelle Anatomie des Menschen und die Widerstandsfähigkeit von Wild- und Kulturpflanzen, sowie alle biochemischen Verfahren, um die "Resilienz" - das Gedeihen unter widrigen Bedingungen - zu verbessern. "Trotz spannender Forschungsprojekte: Ich wollte noch ein Handwerk erlernen. Über mein Spezialwissen kann ich mich nur mit einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung austauschen".

Theils persönlicher Zugang zu Fleisch und Wurst ist etwas vertrackt. Der bewusste Umgang mit seinem eigenen Körper als aktiver Sportler und die ernährungsphysiologischen Vorzüge eines Steaks haben den einstigen Veganer, der immer noch mit einem versorgungsautarken Leben liebäugelt ("mit Kräuterbeet und Hausschwein") auf die für Außenstehende schräg anmutende Idee gebracht, den Fleischerberuf zu erlernen. "Dabei ist es gerade für mich sinnvoll, die Qualitätsaspekte von Fleisch und dessen Weiterverarbeitung genau zu kennen".

Nicht nur die biographische Übereinstimmung im bisherigen beruflichen Lebensweg, auch die Liebe zur Natur vereint die beiden Ausbildungskollegen. Alexander Bohn hat ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Werkstatt für Angepasstes Arbeiten großenteils mit Gartenbau zugebracht. "War zu dieser Zeit nach dem Studienabbruch dann auch mein Wunschberuf. Aber es gab keine Stelle." Ein Freund, Geselle bei Inhoven, wie Bohn in der Laienorganisation der Kirche engagiert, hatte den ausgestiegenen Altertumsforscher immer wieder ins Fleischerhandwerk zu locken versucht. "Der wusste schon länger als ich, was gut für mich ist", merkt Bohn mit leicht selbstironischem Unterton an. Anders als Naturwissenschaftler Michael Theil hat Alexander Bohn trotz förmlicher Berechtigung aufgrund seines Abiturs die angebotene Verkürzung der Lehrzeit ausgeschlagen: "Hier nützt mir mein Vorsprung an theoretischem Wissen ja erstmal nix."

Bohns Bemerkung führt zu der Frage, ob Gymnasiasten nicht verbindlich auch Werkkundeunterricht erhalten sollten? Schließlich muss man seine Handfertigkeit erst einmal ausprobieren, bevor man sie entdecken kann? Die Hypothese wird mit einem einmütigen "Unbedingt" quittiert. "Die obligatorischen Praktika reichen bei weitem nicht aus, um bei sich ein praktisches Talent feststellen zu können", bekräftigt Theil, der als Jugendlicher seinem Vater, einem Tischler, häufig über die Schulter schauen konnte. "Auch die Lehrer müssten sich auf diesen Weg begeben, Wissen als Erfahren durch Be-Greifen zu verstehen."

Ein obligatorisch lernender Umgang aller Schüler mit Technik würde den beiden Umsteigern auch das Argumentieren mit den jeweiligen Freunden leichter machen, die - wie beide Azubis betonen - wenig Verständnis für die Wahl dieses Ausbildungsberufs aufbringen. "Ich habe auf das ungünstige Image des Fleischerhandwerks gepfiffen. Aber mich enttäuschen die Reaktionen trotzdem. Wenn ich erzähle, wie vollständig schon beim Zerlegen darauf geachtet wird, alle Bestandteile von einem Rind später auch zu verwerten, wie überraschend vielfältig die Gewürzpalette ist, die wir in der Wurstküche einsetzen - vom Ingwer in jeder Fleischwurst bis zum frischen Thunfisch, Kalb und Kapern in der Kult-Bratwurst 'De Vito', um die sie sich auf der Party eben noch gerissen haben - , dann habe ich den Eindruck, dass viele nur in ihrem Horrorfilm bestätigt werden wollen", berichtet Alexander Bohn.

War sie also richtig, die Entscheidung fürs Fleischerhandwerk? Michael Theil: "Ja. Ich schätze das Feedback der Kunden sehr. Und dass wir kreativ arbeiten können: Gerade prüfen wir, ob wir eine 'Bouillabaise'-Wurst auf den Markt bringen." Und was liebt Alexander Bohn? "Die Knobiwurst, richtig brühfrisch aus dem Kessel." Und: "immer die nächste Herausforderung". Im nächsten Lehrjahr die Fachkunde bei der Sülzeherstellung zum Beispiel.

Folgt nach der Gesellenprüfung die Meisterwürde? Denkbar, sagt Alexander Bohn: "Ich finde gut, dass die Meisterfortbildung direkt angeschlossen werden kann." Für Michael Theil hat sich der berufliche Horizont dank seiner Fleischerlehre "in jedem Fall verbreitert"; die künftigen beruflichen Optionen reichten vom lebensmitteltechnolgischen Zweitstudium über eine Stelle in der Pharmaforschung bis zum überraschenden Lieblingsszenario: "Lehrer in der Berufsschule."  

Konrad Alexander Europawahl

Alexander Konrad

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