Paul und Harald Hüyng in der Werkstatt des Familienunternehmens in Düsseldorf-Urdenbach
HWK Düsseldorf
Paul und Harald Hüyng in der Werkstatt des Familienunternehmens in Düsseldorf-Urdenbach

Holzblasinstrumentenmacher Paul Hüyng hat seine Ausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen. Ausgelernt hat er noch lange nicht.Ausprobieren, Erfahrungen gewinnen



Wer Paul Hüyng im Familienbetrieb „Harald Hüyng Meisterwerkstatt“ gegenüber sitzt, hat sofort das Gefühl: Hier ist ein junger Mann, 23 Jahre alt, der genau weiß, was er will. Im ländlich geprägten, idyllischen Düsseldorf-Urdenbach war er im letzten Jahr nur auf „Durchgangsstation“. Nach seiner Lehre zum Holzblasinstrumentenmacher, die er teils hier, teils an der Oscar-Walcker-Schule in Ludwigsburg absolviert hat (und mit Auszeichnung* bestand), befindet er sich erneut in einer Phase des Dazulernens und Ausprobierens.

2019 hat Hüyng erwogen, auf Wanderschaft zu gehen, sich aus verschiedenen Gründen dagegen entschieden – aber seit Beginn des Jahres mit Stationen in einigen ausgewählten Handwerksbetrieben im In- und Ausland seine eigene, ganz individuelle „Wanderschaft“ gestaltet. Die aktuelle Station in Hamburg – Inhaber Holger Bastein lernte übrigens im gleichen Betrieb in St. Pauli, bei dem sein Vater vor mehr als 40 Jahren seine Lehre machte – hat er nur unterbrochen, um in der heimischen Werkstatt für einen erkrankten Mitarbeiter einzuspringen. Weitere Aufenthalte sind 2020 in Paris beim berühmten Saxophon-Bauer Henri Selmer ** und in München bei Benedikt Eppelsheim geplant. Dort hat er unter anderem vor, eine Kontrabassklarinette zu bauen. Sein Antrieb: schlichte Neugier. Bereits bei einem Praktikum im Jahr 2017 hatte er festgestellt: „Natürlich gab es dort komplett andere Werkzeuge. Bei uns im Geschäft verkaufen wir alle Holzblasinstrumente, aber Querflöten oder Saxophone stellen wir nicht selbst her.“

Ausgewählte Stationen

Das umfangreiche Vorhaben ging Paul Hüyng strukturiert an: Mindestens ein, höchsten drei Monate sollten es je Etappe sein, dazu die unterschiedlichen Schwerpunkte Neubau, Reparatur und Verkauf abgedeckt werden; möglichst breit gefächert also, um andere Herangehensweisen kennenzulernen. Ganz durchhalten ließ sich die strenge Planung nicht: Einige Betriebe, die er vor Monaten angefragt hatte, meldeten sich erst mit Verzögerung zurück; daraus könnte sich noch die eine oder andere Option ergeben. Denn eins steht fest – die positiven Erfahrungen haben den jungen Instrumentenbauer schon jetzt überzeugt: „Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte“. In Hamburg wiederum war es so interessant, dass er um weitere drei Monate verlängerte. Die Arbeit bei Bastein Holzblasinstrumente habe ihm, obwohl es sich um einen reinen Reparaturbetrieb handele, enorm weitergeholfen, auch was das „Aufsetzen“ angeht, also den Neubau der Klappenmechanik. Nach eigener Aussage das, was ihm beim Klarinettenbau, dem Schwerpunkt der Produktion am eigenen Standort, am meisten Spaß macht.

Paul Hüyng geht zu einem Schrank mit vielen breiten Schubladen, zieht eine auf, um die schier unüberschaubare Zahl an unterschiedlichen Guss- und Frästeilen zu zeigen, die für die Klappenmechanik eingesetzt werden. Nicht nur beim Löten der schimmernden Teile aus Neusilber (eine Kupferlegierung) muss man sehr genau sein, auch das Einsetzen von Federn und Polstern ist Präzisionsarbeit. Genauso kompliziert, wie das System aus Klappen, Hebeln, Achsen und „Röhrchen“ aussieht, ist es auch! Manche Klappen bedienen zum Beispiel über Hebel andere mit. Dabei, erklärt Hüying, der gerade an einer anderthalb Meter langen Bassklarinette arbeitet, seien die längsten Klappen nicht unbedingt die schwierigsten – aber bei manchen Konstruktionen müsste das Zusammenspiel von bis zu neun Teilen perfekt aufeinander abgestimmt werden. In der Meisterwerkstatt wird auch auf Bestellung gearbeitet; aktuell, so der Junior, haben zwei Interessenten Bassklarinetten bei ihm angefragt.

Instrumente und Stimmungen

Im Meisterbetrieb seines Vaters werden seit den 90er Jahren Klarinetten von der Bearbeitung der Hölzer bis zur Montage der Klappenteile von Hand hergestellt: A-, B- und S-Klarinetten – so bezeichnet man die verschiedenen „Stimmungen“ der Instrumente. Insgesamt gibt es fünf verschiedene Modellreihen vom Schülerinstrument mit weniger Klappenmechanik bis zum Solisten-Instrument. Hinzu kommen Sonderanfertigungen und natürlich Reparaturen. Im langgestreckten Werkstatt-Trakt liegen die Arbeitsplätze der Mitarbeiter nebeneinander an der Fensterfront. Auf der Werkbank sind Werkzeuge und Utensilien griffbereit, größere Instrumententeile wie auch winzige Mechanikbestandteile exakt aufgereiht, damit beim Zusammenbau auch alles passt. Bei einer Überholung muss das Instrument komplett zerlegt werden, damit das Holz geputzt, die Metallteile poliert und die Klappen gepolstert werden können. Es ist ein ruhiges Arbeiten, voller Konzentration. Von Zeit zu Zeit ist ein Ton zu hören, wenn ein Mitarbeiter ein Instrument, das er gerade in Arbeit hat, anspielt.

Einen Raum weiter lagert das Ausgangsmaterial für den Klarinettenbau. Die sogenannten Kanteln – so nennt man die Holzrohlinge, die Hüyng über einen Hamburger Importeur aus Südafrika und Mosambik bezieht – sind aus geöltem und naturbelassenen Grenadill-Holz, das hier noch mindestens 10 Jahre gelagert und nach und nach weiterverarbeitet wird. Aufgrund seiner Härte eignet sich das Holz mit der dunklen, intensiven Färbung am besten – es ist wasserunempfindlich und verzieht sich nicht. Alle Bearbeitungsschritte vom „Aufbohren“ der Rohlinge über das Bohren der Tonlöcher bis zum Aufsetzen der Metallteile nötigen Respekt ab: Nichts darf schief sitzen, jeder Tonlochrand muss perfekt glatt sein. Belohnt wird so viel filigrane Geduldsarbeit durch das akustische und optische Ergebnis: Wohlklang und der schöne Kontrast von Tiefschwarz und Silber.

Der Geruch des Grenadill-Holzes ist für Paul Hüyng fest verankert mit seinen Kindheitserinnerungen, als er „auf jeden Fall“ den Beruf des Holzblasinstrumentenbauers ergreifen wollte. Später war es für ihn trotz des familiären Hintergrunds kein Automatismus, sondern eine sehr bewusste Entscheidung. Als Azubi, selbst mit einer gewissen handwerklichen Begabung, „tastet man sich erst mal langsam ‘ran“, lächelt er. So vielschichtig wie die Tätigkeit sind auch die Talente, die man dafür braucht. So muss man zwar kein virtuoser Musiker sein (Hüyng selbst hat ein paar Jahre Unterricht genommen), aber das Instrument anspielen können, „damit ich weiß, was der der Musiker von mir will.“ Ähnlich wie bei seinem Vater fällt auch bei Paul Hüyng die Leidenschaft für den Beruf nur auf den ersten Blick verhalten aus. Erstaunlich für jemanden, der immer noch am Anfang seines Berufslebens ist eine bemerkenswerte Tiefe und Ernsthaftigkeit zu spüren. Für eine gewisse Zeit will Paul Hüyng das ständige Unterwegs-Sein noch in Kauf nehmen – umso schöner ist es dann, mit gewachsener Erfahrung nach Hause zurückzukehren (zumal seine Partnerin, eine Flötenbauerin, ihren Wohnsitz in die Nähe verlegt hat; sie zog von Celle nach Köln, um sich selbstständig zu machen).

* Landessieger beim PLW-Wettbewerb des deutschen Handwerks
** Das Unternehmen unterhält nicht nur Werkstätten und Geschäfte in der französischen Hauptstadt, sondern auch Fertigungs-Werkstätten im etwas außerhalb von Paris gelegenen Mantes-La-Ville.

 

Seit 1988 selbstständig in Düsseldorf: Harald Hüyng

Harald Hüyng blickt indessen auf eine mehr als 30-jährige erfolgreiche Firmengeschichte zurück. Unternehmensführung, Kundenkontakt und Handwerkliches – der Betrieb ist gerade so groß, dass alles noch gut unter einen Hut zu bringen ist, sagt er. Die Stärke eines Fachgeschäfts in seiner Größenordnung sieht der Handwerksunternehmer in der Auswahl – mit unterschiedlichen Preislagen für jeden Bedarf. In den großzügigen Geschäftsräumen mit den glänzenden Instrumenten in Glasvitrinen und drei Anspielräumen haben die Kunden Zeit, in Ruhe zu probieren. Wenn man beobachtet, wie er freundlich, aber nicht aufdringlich auf die Kunden eingeht, weiß man: Es muss noch etwas anderes dahinterstecken. Vielleicht die Gelassenheit, die echte Kompetenz ausstrahlt. Die harmonische Atmosphäre, die sich sowohl in den Verkaufsräumen wie auch in der Werkstatt zwischen den Mitarbeitern und Familienmitgliedern bemerkbar macht (wenn etwa der Großvater Herbert Hüyng, der hier noch regelmäßig mitarbeitet, hereinschaut), spricht für sich.

Über den gesamten Zeitraum des Bestehens wurde in der „Harald Hüyng Meisterwerkstatt“ immer ausgebildet. Auch zurzeit lernt hier eine Auszubildende, daneben beschäftigt der Firmeninhaber fünf Mitarbeiter, davon zwei Meister. Ob Azubi oder Meister: Das Entscheidende für die Qualität der Arbeit sei, immer wieder zu üben, sorgfältig arbeiten, es gut machen zu wollen, so der erfahrende Instrumentenbauer. Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass es keine Garantie dafür gebe, dass „mir die Anerkennung für die Arbeit, die ich reingesteckt habe, zuteilwird.“ Nachdenklich fügt er hinzu, manchmal müsse man auch kämpfen. Gerade heute, in Zeiten von Online-Shops und Billig-Konkurrenz seien Kundenbeziehungen kein Selbstläufer; da sei viel Vorarbeit zu leisten, und man müsse mit unterschiedlichen Persönlichkeiten umgehen lernen. Ein Pluspunkt: Die Kontakte entwickelten sich zwar nur allmählich, dann aber meist dauerhaft.

Begeisterung und Euphorie sind auch beim Vater eher von der stilleren Art. Humor kommt zum Vorschein, wenn Harald Hüyng etwa von seiner Lehre in Hamburg in den 70ern erzählt: „Da war ich ein Exot. Kaum jemand arbeitete, das war eine wilde Zeit.“

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