Wer soll es denn sonst tun? "Zwischenruf" von Dr. Thomas Köster, 2012Das Fenster der Möglichkeiten öffnet sich - Verantwortungskultur hat jetzt eine Chance.

Das Ansehen der Unternehmer geht immer weiter in den Keller und die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft ebenso. Die mittelständischen Unternehmer haben damit nichts zu tun. Aber sie sind von dieser Entwicklung schlimm betroffen. Das darf nicht länger so weiter gehen. Aushalten von Risiken und Übernahme der Verantwortung für Entscheidungen und deren Folgen – das ist die gelebte Praxis für den Eigentümer-Unternehmer in Handwerk und Mittelstand. Diese Verantwortung kann er auf niemanden abwälzen. Deshalb ist der Gewinn sein Gewinn und der Verlust sein Verlust und von niemandem anderen. Weil dies so ist, sind die vollhaftenden Eigentümer-Unternehmer das unternehmerische Leitbild unserer Wirtschaftsordnung. Dieses Leitbild ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr an die Seite gedrängt worden. Stattdessen ist organisierte Verantwortungslosigkeit immer stärker zum Strukturmerkmal unserer Zeit geworden. Diese organisierte Verantwortungslosigkeit ist die eigentliche Ursache der Krisen, mit denen wir es zu tun haben – sei es die Finanzkrise, sei es die Bankenkrise, sei es die eurogetriebene Staatsschulden-Krise.

Überall wird Verantwortung so verschoben, dass hinterher niemand mehr sagen kann, wer für irgendetwas verantwortlich war. Immer heißt es: „Ich bin es nicht gewesen!“

Das ist das genaue Gegenteil von dem, wofür mittelständisches Unternehmertum steht. Weil die Handwerksunternehmer dies genau wissen, hat sich das Handwerk als Kern der mittelständischen Wirtschaft schon immer gegen diese verderbliche Tendenz gestemmt. Insbesondere das Handwerk in Nordrhein-Westfalen hat seit dem Jahre 2000 zum Beispiel auf den Dreikönigsforen des Nordrhein-Westfälischen Handwerktages und den Röpke-Symposien des Handwerks in Düsseldorf immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Haltung der Verantwortungslosigkeit in den Abgrund führt. Wir haben es aber nicht bei dieser Diagnose belassen, sondern haben eine zweifache Therapie eingefordert:

  • Zum einen Eintreten für die Stärkung des mittelständischen Eigentümer-Unternehmertums. Dies muss geschehen z.B. durch konsequente Rechtsform – Neutralität zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften im Steuerrecht. Statt der gegenwärtigen steuerlichen Begünstigung von Kapitalgesellschaften ist eigentlich sogar die steuerliche Besserstellung von vollhaftenden Unternehmern im Vergleich zu Kapitalgesellschaften notwendig. Dies wäre der gebotene Ausgleich für deren Privileg der Haftungsbegrenzung. Es ist das tägliche Brot der Handwerkspolitik, sich um diese Themen zu kümmern.
  • Zum anderen Durchsetzung von mehr Verantwortlichkeit in den großen Publikumsaktiengesellschaften in Streubesitz.

Das Letztere ist die große neue Aufgabe, die dem mittelständischen Unternehmertum und der Politik heute gestellt ist. Das Ansehen des gesamten Unternehmertums wird durch vielfaches Fehlverhalten auf den Vorstandsebenen von großen Publikumsaktiengesellschaften (insbesondere im Bankensektor) nach unten gezogen. Vorstand und Aufsichtsrat bilden dort immer häufiger ein in sich geschlossenes System. Die Kontrolle und Steuerung durch den Eigentümer - nämlich zersplitterte Kleinaktionären mit häufig nur kurzfristigen Wertsteigerungsinteresse – gelingt dort immer weniger. In einem solchen System kann eine Kultur der Verantwortlichkeit nicht gedeihen. Um hier einen Wandel herbeizuführen hat das Handwerk in Nordrhein-Westfalen schon lange gefordert

  • Mehr Haftung für Manager z.B. dadurch, dass der nicht versicherbare Selbstbehalt für eingetretenen Schaden ein Drittel der in den vergangenen drei Jahren insgesamt erzielten Einkünfte beträgt.
  • Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Festlegung der Obergrenzen der Gesamtvergütung von Vorstand und Aufsichtsrat auf der Grundlage eines Votums des Aufsichtsrats-Plenums.
  • Pflicht für institutionelle Anleger zur Offenlegung des Abstimmungsverhaltens in Hauptversammlungen gegenüber ihren Kunden.
  • Begrenzung der Zahl der von einer Person wahrgenommen Aufsichtsratsmandates bei großen börsennotierten Unternehmen auf maximal drei.
  • Staffelung der Dividenden nach Haltedauer der Aktie.

Im Jahre 2009 ist es dem NRW-Handwerk gelungen, über eine NRW-Bundesratsinitiative eine Verschärfung der Haftung für Manager in unserem Aktiengesetz zu verankern. Dies war ein gewaltiger Erfolg für das mittelständische Unternehmertum und auch für die siebzig Prozent der Arbeitnehmer, die im mittelständischen Unternehmen beschäftigt sind. Hier geht es nicht um das Abreagieren von Neid-Komplexen. Die Prinzipien einer Marktwirtschaft müssen wieder in Kraft gesetzt werden. Ohne Haftung kann eine Marktwirtschaft nicht funktionieren.

Durch die Annahme des Volksbegehrens „Gegen die Abzockerei“ in der Schweiz sowie durch Initiativen des Europäischen Parlamentes und der Kommission auf EU-Ebene öffnet sich jetzt ein Fenster der Möglichkeiten, auch die anderen Forderungen von Handwerk und Mittelstand durchzusetzen. Dazu gibt es jetzt Signale aus allen Fraktionen des Deutschen Bundestages. Dieses Fenster der Möglichkeiten gilt es entschlossen zu nutzen. Denn Hunderttausenden von mittelständischen Unternehmern in Handwerk, Handel und Gewerbe sowie den Selbstständigen in den freien Berufen kann es nicht gleichgültig sein, wenn das Unternehmerbild in unserer Bevölkerung durch das Fehlverhalten einzelner Repräsentanten des Unternehmertums negativ geprägt wird. Dagegen muss sich der Mittelstand aufbäumen. Das ist seine Sache. Wer soll es denn sonst tun! Die Neupflanzung einer Kultur der Verantwortlichkeit hilft dann auch dabei, bei den gewaltigen Krisen unserer Zeit wieder soliden Grund unter unsere Füße zu bekommen. Eigentümerverantwortung ist der Schlüssel zur Besserung. Jetzt ist die Stunde, entschlossen zu handeln.

Köster Dr. Thomas HWK Düsseldorf

Dr. Thomas Köster

Stv. Leiter

Georg-Schulhoff-Platz 1

40221 Düsseldorf

Tel. 0211 8795-131

Fax 0211 8795-135

thomas.koester--at--hwk-duesseldorf.de