Konjunktur Umfrage Fragebogen
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Pressemitteilung Nr. 23 vom 3.5.2018Rekordboom verschärft Fachkräftemangel

Frühjahrsgutachten Handwerk Rhein/Ruhr
Ehlert: "Engpass jetzt dramatisch" - Firmen investieren verstärkt in Digitalität

Das Konjunktur-Hoch im Handwerk im Bezirk der HWK Düsseldorf bricht weiter alle Rekorde. Das Konjunkturgutachten Frühjahr 2018 der größten Kammer des Landes (59.000 Unternehmen, 320.000 Beschäftigte) weist mit einem Geschäftsklimaindex von 136 Punkten erneut einen Allzeit-Gipfelwert aus; diesmal betrug die Steigerung gegenüber der Herbstumfrage acht Prozentpunkte bzw. zehn Prozentpunkte im Vergleich zum letzten Frühjahr. "Mehr als die Hälfte aller Betriebe berichtet derzeit von einer weiteren Belebung der Geschäftslage in den letzten 6 Monaten; jedes dritte Unternehmen rechnet sogar mit einer weiteren Verbesserung übers Frühjahr und den Sommer", stellte Kammerpräsident Andreas Ehlert am Donnerstag bei der Veröffentlichung der repräsentativen Umfrageergebnisse in der Landeshauptstadt fest. Eine annähernde Vollauslastung von 79 Prozent (Vorjahr 77 Prozent) bei weiter gestiegenen Auftragsbeständen - die Auftragsreichweite beträgt nunmehr durchschnittlich 7,7 Wochen - und ein Höchststand an offenen Stellen kennzeichnen das aktuelle Schönwetterbild. Ein Großteil der Meisterbetriebe arbeitet am Limit und muss Aufträge zeitlich schieben, denn das im 8. Jahr anhaltende Konjunkturhoch sprengt in vielen Gewerken inzwischen die Kapazitätsgrenzen. Der Anteil der Betriebe mit offenen Stellen ist zuletzt sprunghaft gestiegen; inzwischen sucht jede dritte Firma Personal. Die Beschäftigungskonjunktur blieb dagegen schwach ausgeprägt.

Die Eckdaten zur Konjunkturlage im Handwerk an Rhein, Ruhr und Wupper im Frühjahr 2018 lauten:

  • 38 % der Unternehmen beschreiben ihre Geschäftslage als "gut"; 53 % als "verbessert"
  • 80% erzielten im letzten Halbjahr gleich gute oder höhere Umsätze
  • Ein Drittel (32%) meldet gestiegene Auftragseingänge
  • Ein Viertel (25%) der Befragten steigerte seine Investitionen (Vorjahr: 20%)
  • Der Saldo aus Personalzuwachs und -rückgang beträgt lediglich +3 Prozentpunkte
  • 34 % der Unternehmen weisen offene Stellen aus (vor 1 Jahr: 21 %).

"Der Fachkräftebedarf ist massiv gestiegen. Der handwerkliche Arbeitsmarkt leergefegt. Der Engpass ist jetzt dramatisch", berichtete Ehlert. Zwar werde das Jahr 2018 ähnlich wie das Jahr 2017 voraussichtlich mit einem nominalen Umsatzplus von mehr als drei Prozentpunkten abschließen, so Ehlert. Auch werde ein Teil der ausgeschriebenen Stellen am Ende vergeben werden können, sodass die Kammer zum Jahresende auch "ein geringfügiges Beschäftigungsplus" erwartet. Die größten Chancen zum Beschäftigungsaufbau haben Gebäudereiniger, das Kfz-Gewerbe und die Handwerke des Gesundheitsgewerbes (Augenoptiker, Hörgeräteakustiker, Orthopädietechniker u.a.).

Investitionen in Datenautomatisierung kompensieren Personalmangel nur teilweise

Leichter fällt es den Unternehmen derzeit, den Produktionsdruck durch Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Anlagen und betrieblichen Abläufe aufzufangen. Jeder vierte Betriebsinhaber gab an, stärker in Betriebsmittel investiert zu haben als im vorausgegangenen Halbjahr; 14 Prozent drosselten ihre investiven Ausgaben in den Wintermonaten. Generell gilt: Je größer die Betriebe sind, desto aktiver wird investiert: So steigerten 40 Prozent der Firmen mit mehr als 50 Beschäftigten ihren Kapitaleinsatz in die betriebliche Ausstattung. 86 Prozent aller befragten Betriebe wollen ihr Investitionsniveau bis Herbst mindestens halten. "Die Digitalisierung vieler Technologien verläuft zu rasant, um im transparenter werdenden Wettbewerb künftig noch analog erfolgreich mitbieten und verkaufen zu können: Die Devise lautet: Investieren und qualifizieren!", wies Ehlert auf die Brisanz des Technologie-Quantensprungs auf Handwerk 4.0 hin. Die branchenspezifischen Unterschiede bei der Adaption neuer Anwendungen wie Smart Home und 3-D-Druck fallen vorerst allerdings noch beachtlich aus: Die höchste Dynamik herrscht diesbezüglich im Kfz-Gewerbe, gefolgt von den Handwerken für den gewerblichen Bedarf. Im Lebensmittelgewerbe weist der Saldo aus investiven Mehr- und Minderaufwendungen erstmals seit zwei Jahren dagegen wieder einen negativen Saldo auf. Die erhöhte betriebliche Effizienz und smarteren Produkte und Dienstleistungen lindern das Problem der Auftragsüberhänge. "Eine spürbare Entspannung bei den Wartefristen ist im Handwerk durch die Ausweitung der technischen Kapazitäten alleine allerdings vorerst nicht erreichbar. Dazu wiegt der Personalengpass zu schwer", bat der Präsident Auftraggeber um Verständnis für die derzeit erhöhten Wartezeiten. Moderat verlaufe die Preisentwicklung. "Gestiegene Preise sind in den meisten Branchen auf gestiegene Einkaufspreise und Personalkosten zurückzuführen", so Ehlert.

"Noch einmal weiter intensiviert" habe das Handwerk seine Anstrengungen, junge Menschen über Qualifizierung in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Viele Betriebe beschritten in der aktuellen Hochdruckphase auch neue Pfade. So setze eine wachsende Zahl an Unternehmen bei der Stellensuche mittlerweile proaktiv auf Social Media wie Facebook, Whats App und Instagram. Die ausgeweiteten Akquisebemühungen zeitigen bereits erste Erfolge: Die Zahlen bei Ausbildungs-anfängern im Handwerk an Rhein, Ruhr und Wupper sind in den letzten beiden Jahren erstmals in diesem Jahrzehnt leicht gestiegen, "bewegen sich aber noch weit von betrieblicher Bedarfsdeckung entfernt", so Ehlert. Um nennenswert mehr Jugendliche an das Handwerk zu binden, müsse vor allem die duale Infrastruktur im Land "attraktiver gemacht und grundlegend modernisiert werden. Wir brauchen gerade hier in Nordrhein-Westfalen eine neue Wertschätzung für die berufliche Bildung. Das heißt höhere Ausbildungsreife von Schulabgängern, mehr Fachlehrer an den Berufskollegs und eine bessere Ausstattung in den Bildungsstätten der Wirtschaft", so Ehlert. Der Weg in die berufliche Bildung lohne sich stärker denn je: "Es gibt keine arbeitslosen Handwerksmeister, und es gibt für Führungskräfte hervorragende Aufstiegs- und Verdienstperspektiven."

Spreizung im Konjunkturverlauf nach Branchengruppen

Konjunkturell besonders stark stehen derzeit das Ausbaugewerbe, das Bauhauptgewerbe und die Handwerke für den gewerblichen Bedarf da, in denen das Geschäftsklima seit dem Herbst noch einmal deutlich zugelegt hat.

  • Im Ausbaugewerbe lag der Geschäftsklimaindex mit 141 Prozentpunkten am höchsten, das Bauhauptgewerbe und die (Zuliefer-)Handwerke für den gewerblichen Bedarf lagen mit 138 bzw. 136 Prozentpunkten nur knapp dahinter. Es sind zugleich die drei Gruppen, in denen der Anteil von Betrieben mit offenen Stellen am höchsten ist: Im Bauhauptgewerbe und bei den handwerklichen Zulieferern meldet fast jeder zweite Betrieb (46 bzw. 45 %) offene Stellen, im Ausbaugewerbe immerhin jeder 3. Betrieb. In allen drei Gewerbegruppen haben sich auch die Auftragsreichweiten gegenüber dem Vorjahr noch einmal um zwei bis drei Wochen erhöht. Die Betriebe des Bauhauptgewerbes weisen derzeit mit 10,5 Wochen die größte Auftragsreichweite aus.
  • Im Kfz-Gewerbe hat sich das Geschäftsklima ebenfalls weiter auf aktuell 132 Punkte verbessert, auch die Umsatz- und Auftragsentwicklung verlief positiv. Abweichend von den übrigen Handwerksbranchen beklagt eine Mehrheit der Werkstatt- und Handelsbetriebe des Kfz-Handwerks jedoch gesunkene Verkaufspreise. "Unsere Kfz-Betriebe müssen gerade die Suppe auslöffeln, die Autohersteller und Politik ihnen mit der unsäglichen Diesel-Debatte eingebrockt haben: Der Preisverfall bei neuen oder gebrauchten Dieselfahrzeugen trifft viele Kfz-Händler und -Werkstätten hart", so Ehlert.
  • Von einem vergleichsweise schwächeren Ausgangsniveau hat sich auch der Geschäftsgang in der Branchengruppe "Persönliche Dienstleistungen" (Friseure, Kosmetiker, Goldschmiede etc.) belebt. Keine erneute Aufwärtsbewegung zeigte dagegen das Konjunkturbarometer für das Lebensmittelhandwerk und die Gesundheitsgewerbe an.

Einen im Großen und Ganzen homogenen Konjunkturverlauf zeigt die repräsentative Betriebsumfrage in regionaler Hinsicht. Die Angaben der Befragten (Rücklauf 933) zu ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Lage und Umsatzentwicklung wichen zwischen den Teilregionen Großraum Düsseldorf, Linker Niederrhein, Ruhr-West und Bergisches Land kaum voneinander ab. Beim Auftragseingang machte das Westliche Ruhrgebiet den größten Sprung. Berichten vor einem Jahr noch 23 Prozent der Ruhrhandwerker von Zuwächsen, so meldeten jetzt 31 Prozent gestiegene Auftragsbestände: "Immer mehr Betriebe aus der strukturschwächeren Ruhrschiene helfen in den angrenzenden wachstums-stärkeren Regionen mit, den Auftragsanprall abzuarbeiten", erhellte Ehlert den Hintergrund. Auffällig ist ferner, dass Betriebe aus den Landkreisen deutlich häufiger als solche aus kreisfreien Städten über offene Stellen berichteten. "Erwerbsmobilität kennt praktisch nur noch eine Richtung: Von der Peripherie in die Agglomeration, leider nicht umgekehrt", erläuterte Ehlert das Phänomen. Die Handwerksunternehmen der Region Düsseldorf haben wiederum bei der Investitionsneigung derzeit die Nase vorn; 28 Prozent steigerten seit Herbst die Ausgaben. Im Großraum um die Landeshauptstadt  beurteilen die Handwerker auch die Vergabepraxis der Banken am günstigsten. Etwas weniger gute Erfahrungen haben dagegen die Betriebe aus dem westlichen Ruhrgebiet mit den Geldhäusern der Region gemacht. Der Anteil der Betriebe, die Kredite in Anspruch genommen haben, ist generell im Kammerhandwerk leicht um vier Prozentpunkte gesunken; noch am stabilsten war die Nachfrage am Linken Niederrhein. Zugleich wird die Kreditvergabepraxis der Banken um 13 Prozentpunkte und damit deutlich besser beurteilt als in der Herbstumfrage.

Fazit

"Die Konjunktur entwickelt sich im Handwerk im Westen derzeit besonders dynamisch. Umso dringlicher ist, dass die langfristig herausragenden Perspektiven einer Berufsausbildung im Handwerk deutlich werden - und sich die schulischen Rahmenbedingungen im Beruflichen Bildungswesen sehr rasch verbessern", schlussfolgerte Kammerpräsident Ehlert aus der Datenlage.

Konrad Alexander Europawahl

Alexander Konrad

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