Handwerk Frauen
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Pressemitteilung Nr. 28 b vom 19.5.2016Weiblich, jung, Unternehmerin im Handwerk? Fehlanzeige!

Wissenschaftliche Studie nennt Mangel an Identifikationsangeboten als Hauptursache
Kammer verstärkt geschlechtsspezifische Ansprache in Gründungsberatung und Qualifzierungsmarketing

Das Handwerk wirbt gezielt um Frauen als Unternehmerinnen. Hintergrund: Eine steigende Anzahl von Unternehmen - alleine im Handwerkskammerbezirk Düsseldorf ist jeder sechste der 58.256 Betriebe betroffen - benötigt in den kommenden 5 Jahren einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin.

"Handwerkerinnen bilden die größte Unternehmerreserve; jeder 4. Handwerksbeschäftigte ist weiblich. Inhaberinnen sind im Handwerk zwar keine Ausnahmeerscheinung mehr, aber noch weithin unterrepräsentiert. Schöpfen wir dieses Potenzial nicht aus, droht unserem Wirtschaftsbereich langfristig der Verlust tausender Handwerksbetriebe und zehntausender Beschäftigter.", informierte der Präsident der Kammer, Andreas Ehlert, am Donnerstag in der Landeshauptstadt die Öffentlichkeit.

Immerhin stieg die Inhaberinnenquote in den qualifizierten Handwerksberufen (Meistertitel verbindlich oder fakultativ Voraussetzung für einen selbstständigen Gewerbezugang) in den letzten zwanzig Jahren von 12 (1995) auf heute 19 Prozent. Dabei nahm auch die Berufediversität leicht zu, wie eine neue wissenschaftliche Studie des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh) unter dem Titel "Frauen gehen in Führung" feststellt, die die Kammer in Auftrag gab. Hilfreich mit Blick auf das Mobilisierungsinteresse der Handwerksorganisation ist nicht zuletzt die Erkenntnis der Gutachter, dass der weibliche Anteil bei Übernahmen gegenüber Neugründungen erhöht ist, da Frauen das Risiko der Fortführung eines gut eingeführten Unternehmens für niedriger erachteten.

Das Kurzgutachten schlägt im Kern vor, das Interesse von Frauen an beruflicher Unabhängigkeit und unternehmerischer Selbstständigkeit vor allem durch zielgruppenspezifische Beratung und Bekanntmachen weiblicher Rollenvorbilder zu stimulieren. Die Kammer hat bereits reagiert und eine Workshopreihe für führungs- und gründungsinteressierte Handwerkerinnen mit erfahrenen Chefinnen gestartet. Auch das Bildungsmarketing der Akademie der HWK, die 31 Meisterschulen betreibt, wird neu und gezielt auf die lebensweltlichen Bedürfnisse von Handwerkerinnen ausgerichtet. So "castet" das Kammerbildungszentrum derzeit junge Gesellinnen und Meisterinnen als Botschafterinnen; sie sollen auf Plakatwänden und in sozialen Netzwerken für den Weg zur Selbstverwirklichung mittels Aufstiegsfortbildung zur Meisterin posieren.

Die Untersuchung des ifh erhellt auch ökonomische und soziologische Hintergründe für die geringere Neigung unter Handwerkerinnen, eine Firma zu gründen. Frauen seien vor allem auf Dienstleistungsberufe fokussiert. Diese finden sich unter den mehr als 130 Branchen des Handwerkssektors allerdings nur in geringer Anzahl. So finden sich mit Abstand die meisten Handwerksunternehmerinnen als Inhaberinnen eines Kosmetikstudios (im Bezirk der HWK 3.472 Betriebe) und eines Friseursalons (3.276). Dahinter reihten sich in die Berufe-"Top Ten" frauengeführter Handwerksbetriebe im Kammerbezirk immerhin heute auch vier bau- bzw. gebäudenahe Gewerbezweige ein: die Gebäudereinigung (1.405; Platz 3), Raumausstatter/in (172, Platz 7), Fliesenleger/in  (151, Platz 9) und Unternehmen im Segment "Einbau von genormten Baufertigteilen"  (150; Platz 10). Wo weibliche Selbstständige überhaupt in großen technischen oder produzierenden Berufen aufzufinden sind, da haben häufig Töchter den elterlichen Betrieb weitergeführt.

Vor allem in den großen und technologisch anspruchsvollen Handwerkberufen der Elektrotechnik (2,8 %), in Bauunternehmen (3,5 %) und im Metallbau (4,3 %), die zusammengenommen jeden 6. Handwerksbeschäftigten und ein Fünftel der im Wirtschaftssektor erwirtschafteten Umsätze binden, fehlen weibliche Selbstständige. Die Gutachter machen dafür einen Mix aus objektiven und subjektiven Faktoren verantwortlich: 

  • Ein allzu kleines Führungskraft-Reservoir von unter 5% Anteil an Gesellinnen und weiblichen Auszubildenden in den betreffenden Branchen.
  • Eine verschwindend geringe Anzahl an Frauen mit techniknahen Abschlüssen.
  • Eine höhere Risikoaversität von Frauen im Beruf; unter anderem festgemacht an einer empirisch belegten stärker ausgeprägten Sorge vor Problemen bei der Kreditbewältigung.
  • Einen sozialen Reflex: die Abneigung vor einem Status als "Einzelkämpferin".

"Auf der anderen Seite bringen Frauen ausgeprägtere soziale Kompetenzen im Umgang mit Kunden und Mitarbeitern mit. Ihre Serviceorientierung prädestiniert sie eigentlich geradezu zur Führung in einem Wirtschaftssektor, in dem Konsumenten immer anspruchsvollere Dienstleistungen nachfragen", ergänzte Ehlert das Bild. "Wir setzen deshalb mit Überzeugung und Erfolgsaussicht auf die Karte 'weiblich, jung, Unternehmerin', bauen unser Kommunikations- und Beratungsangebot für Frauen weiter aus und stellen in nächster Zeit für erfolgreiche Gründerinnen und Betriebsübernehmerinnen gezielt Öffentlichkeit her. Der Meisterunternehmer von morgen heißt Mara oder Mareike", gab Ehlert als Parole aus. "Unser Ziel ist, den Anteil der Inhaberinnen im qualifizierten Handwerk in den nächsten fünf Jahren auf dreißig Prozent hochzutreiben."

Zur ifh-Studie "Frauen gehen in Führung - Frauen als Unternehmerinnen im Handwerk"

Die von der Kammer beauftragte Kurzstudie des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk der Universität Göttingen nennt weitere Hintergründe für die Zurückhaltung bei jungen Frauen in unternehmerische Selbstständigkeit zu gehen. Danach verfügen Jungunternehmerinnen über eine gegenüber männlichen Gründern geringere handwerksspezifische Qualifikationen und berufliches Selbstbewusstsein, üben ihre Selbstständigkeit viel häufiger in Teilzeit oder im Nebengewerbe aus und stehen eher kleineren Betrieben vor. Eine herausgehobene Ursache für die geringere Gründungsneigung und geringere Firmengröße liege darin, dass Handwerkerinnen den Schritt in die berufliche Unabhängigkeit auf eigene Rechnung und Risiko meist vorsichtiger planten und starteten. Die Gutachterführen dies unter Rekurs auf andere empirische Erhebungen auf eine geschlechtsspezifisch höhere berufliche Risikoaversität von Frauen zurück. Dies drücke sich auch in einem im Vergleich zu Neugründungen deutlich erhöhten Anteil an Gründungen durch Übernahme vorhandener, am Markt bereits eingeführter Unternehmen aus.

Als generellen Türöffner empfiehlt die Untersuchung, vor allem verbreitet Identifikationsangebote für junge Frauen zu stiften: durch Portraits von und Begegnungsmöglichkeiten mit weiblichen Rollenvorbildern, die erfahrbar machen, dass und mit welchem persönlichen Zugewinn sie in bislang männer-dominierten Handwerksbereichen als Inhaberinnen reüssieren und eine Wunschkarriere „hinlegen“ konnten. Ein weiterer Aspekt betrifft eine Verbesserung der Beratung zu Fragen der sozialen Absicherung, der Zugriff auf Mentorinnen und eine verstärkte Repräsentanz von Frauen in der Handwerksorganisation. Größere Unternehmen seien gehalten, weiblichen Führungsnachwuchs gezielt mit Freiraum für Familie und Kinderbetreuungsangeboten anzuwerben. Auch die Schulen sind gefordert, bezüglich des Berufsimages und der Rollenbilder gewohnte Schemata zu verlassen.

Weitere Informationen und das Kurzgutachten in voller Länge: www.hwk-duesseldorf.de  

Konrad Alexander Europawahl

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