Mikrostoffe im Trinkwasser : Antibiotika und hormonaktive Substanzen

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Medikamentengehalte in Wasserproben

Etwa 130 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe, darunter auch hormonaktive Substanzen wie das synthetisch hergestellte Estradiol, Grundstoff der Antibabypille, sind bereits in Fließwässern identifiziert und quantifiziert worden. Bisher liegen die gemessenen Maximalkonzentrationen der Arzneimittelrückstände in Oberflächengewässern im einstelligen mg/l-Bereich. Ausnahme bildet das Röntgenkontrastmittel Iopromid, das mit 30 mg/l angegeben wird.

Etwa 10 bis 15 dieser Wirkstoffe lassen sich auch im Trinkwasser nachweisen. Darunter fallen Schmerzmittel wie Ibuprofen und Diclofenac, Bluthochdruck senkende Präparate, Antibiotika wie Clindamycin und Erythromycin, cholesterinsenkende  Mittel und Antiepileptika wie Carbamazepin sowie Röntgenkontrastmittel. Hier liegen die gemessenen Konzentrationen im Nanogrammbereich. Die internationale Organisation OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) bietet auf Ihren Internetseiten eine Übersicht über den  Arzneimittelverbrauch ausgesuchter Medikamente in den Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz. 

Analytische Methoden

Die Messung von Arzneimitteln und hormonaktiven Substanzen ist zeit- und kostenintensiv. Die hohen Aufwendungen sind auf hohe Anschaffungspreise für das analytische Equipment  und hohe Personal- und Verbrauchsmaterialkosten zurückzuführen. Da die Konzentrationen der Arzneimittelrückstände in Wasserproben im unteren Mikrogrammbereich bzw. im Nanogrammbereich liegen, müssen die Proben zwecks Anreicherung zunächst aufwendige Extraktionsverfahren (Flüssig-Flüssig-Extraktionen oder Festphasenextraktionen) oder die Gefriertrocknung durchlaufen. Die angereicherten Proben, die eine Vielzahl von organischen Stoffen enthalten, werden anschließend zur Bestimmung der Einzelstoffe gas-oder flüssigkeitschromatographisch aufgetrennt. Die Flüssigkeitschromatographie kombiniert mit der Massenspektrometrie hat sich mittlerweile als analytisches Verfahren zur Bestimmung von Arzneimittel in Wasserproben etabliert. Je nach Arzneimittel oder hormonaktiver Substanz kommen auch andere Analyseverfahren zum Einsatz, so z. B. die Hochflüssigkeitschromatographie in Kombination mit einem UV-Detektor, sofern der zu bestimmende Stoff UV-aktiv ist.     

Der Eintragspfad für Medikamente und hormonaktive Substanzen in Oberflächengewässer erfolgt in erster Linie durch menschliche und tierische Ausscheidung nach einer Medikamenteneinnahme. Während die menschlichen Exkremente und damit die Arzneimittel und Metabolite (Stoffwechselprodukte) den Weg über das Abwasser in die Kläranlage und anschließender Einspeisung in Oberflächengewässer ins Grundwasser finden, gelangen tierische Exkremente in der Landwirtschaft (vorwiegend bei Massentierhaltung) über die Gülle direkt in den Boden. Dort versickern sie und gelangen so ins Grundwasser. Auch undichte Abwasserkanäle – gerade auch im Bereich der privaten Hausanschlussleitungen – können Beiträge zur Kontamination des Grundwassers leisten.

Eine komplette Entfernung von Arzneimittelrückständen aus den privaten und gewerblichen Abwässern ist zwar prinzipiell über neue Klärtechniken möglich, würde aber die Kommunen vor unüberwindbare finanzielle Probleme stellen. Daher müssen vorsorgende Maßnahmen getroffen werden. Darunter fallen:

  • Entwicklung schneller abbaubarer Medikamente durch die Pharmahersteller
  • Verantwortungsvoller Umgang mit Medikamenten (geringerer Konsum, umsichtige Entsorgung)
  • Modernisierung der Kläranlagen

Erste Schritte dazu werden aufgrund der flächendeckenden Kontamination der Fließgewässer mit pharmazeutischen Produkten bereits politisch diskutiert. Dazu gehört aufgrund umwelthygienischer Aspekte die Aufnahme der drei prioritären Stoffe Diclofenac, 17a-Ethinylestradiol(EE2) und 17β-Estradiol (E2) in die europäische Richtlinie 2008/105/EG. Ein übersichtliches und informatives Positionspapier ist beim Verband der chemischen Industrie (VCI) abrufbar.

Die Trinkwasserversorger speisen ihre Trinkwasseraufbereitungsanlagen in der Regel mit Grund- oder Oberflächenwässern. Das aufbereitete Trinkwasser wird dann an den Endverbraucher abgegeben. Hier gilt das Prinzip der Vorsorge und der Vorbeugung. Wird das Rohwasser über Ozonisierungs- und/oder Aktivkohlefilteranlagen gereinigt, so ist die Konzentration an Arzneimittelrückständen so gering, dass laut Umweltbundesamt momentan für die Trinkwasserkonsumenten kein Gefährdungspotenzial vorliegt.

Trotzdem werden zunehmend  Stimmen laut, die für eine Festsetzung von Grenzwerten plädieren. Noch sind die Wasserversorger nach geltender Trinkwasserverordnung nicht verpflichtet, ihr an den Konsumenten abgegebenes Trinkwasser auf Arzneimittel und deren Rückstände zu kontrollieren. Zudem müssen Ergebnisse bisher nicht veröffentlicht werden, sofern die Unternehmen Messungen freiwillig durchführen. Ob ein Minimierungsgebot für die Zukunft reicht, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Dann wird man feststellen, in wie weit sich Medikamentenrückstände in den Gewässern akkumuliert haben.   

Wichtige Begriffe

Hormonaktive (endokrine) Substanzen sind Stoffe, die mit dem Hormonsystem wechselwirken. Verursachen diese Stoffe Schäden, so spricht man von endokrinen Disruptoren. Darunter fallen die synthetisch hergestellten Estradiole.

Ein Schwellenwert wird aus human- und ökotoxikologischen Daten abgeleitet und dient dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Er gibt die tolerierbare Aufnahmemenge eines Stoffes oder einer Stoffgruppe (Dosis) in einem Medium (z. B. Grundwasser, Oberflächenwässer, Trinkwasser) an, für die keine Schäden der menschlichen Gesundheit oder der  Umwelt zu erwarten sind. Ein Schwellenwert dient auch als Maßstab zur Beurteilung eines Schadens (Qualitätsnorm). Gemäß Richtlinie 2006/118/EG wird z. B. die "Grundwasserqualitätsnorm" als Umweltqualitätsnorm bezeichnet, ausgedrückt als die Konzentration eines bestimmten Schadstoffs im Grundwasser, die aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes nicht überschritten werden darf.

Die Geringfügigkeitsschwelle (GFS) wird definiert als Konzentration, bei der trotz einer Erhöhung der Stoffgehalte gegenüber regionalen Hintergrundwerten keine relevanten ökotoxischen Wirkungen auftreten können und die Anforderungen der Trinkwasserverordnung oder entsprechend abgeleiteter Werte eingehalten werden.

Grenzwerte sind in Gesetzen und Verordnungen politisch festgelegte Höchstkonzentrationen für natürliche Inhaltsstoffe, Wirkstoffrückstände und Umweltkontaminanten in Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen und Umweltmedien. (Beispiel: Trinkwasserverordnung)

Dr. Evelin Denkhaus HWK Düsseldorf

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