Zupfinstrumentenmacher Thorsten Sven Lietz
HWK Düsseldorf
Zupfinstrumentenmacher Thorsten Sven Lietz

Thorsten Sven Lietz' Herz schlägt für besondere ZupfinstrumenteEin Himmel voller Gitarren

Für November-Blues ist hier kein Platz – die Werkstatt von Gitarren- und Lautenbauer Thorsten Sven Lietz ist in ein helles, angenehmes Licht getaucht. Das machen die warmen Farben der Instrumente, Hölzer und Lacke, und die Lage im Essener Süden. Schnell wird der Besucher in eine andere Welt entführt, in der Tonholzhändler, Flamenco und historische Instrumente die Hauptrolle spielen.

Die Räume in Essen-Werden sind ausgestattet mit Regalen und Hobelbänken, an der Wand hängen Zeichnungen und Schablonen. Die Werkzeuge, auch sie Werke höchster Präzision, hat der Zupfinstrumentenmachermeister – so die offizielle Berufsbezeichnung – teilweise selbst in Japan erworben. Nicht zu vergessen: die Instrumente, teils Reparaturaufträge, aber vor allem Instrumententeile aller Art. Einige wenige „fertige“ Gitarren hängen zwar griffbereit im Raum, „damit man auch etwas zeigen kann“, doch eigentlich fertigt Lietz hier fast ausschließlich Auftragsarbeiten, bei denen gemeinsam mit dem Kunden geklärt wird, was für eine Gitarre oder Laute hier entstehen soll: Welche Vorstellung von einem bestimmten „Ton“, welche „Stimmung“ dieser mit dem Instrument verbindet, ist dabei entscheidend.

Wer kommt zu ihm, um sich ein solches komplett handgemachtes Instrument zu leisten? Das kann der Gitarrist von Herbert Knebel sein, der die Hawaiigitarre für sich entdeckt hat und enttäuscht von der üblichen „Handelsware“ fragt: Können Sie mir so etwas bauen? (Antwort: Ja). Oder ein Schüler von Rafael Cortés, für den ein traditioneller spanischer Gitarrenbauer (noch) zu teuer ist. Der Flamenco-Lokalmatador aus Essen stand übrigens schon in Lietz‘ Werkstatt, neugierig auf den Deutschen, der es versteht, den richtigen Ton zu treffen – bei der Flamenco-Gitarre darf dieser „rancio“, ein wenig rauchig-dreckig, ausfallen. Praktischerweise befindet sich im gleichen Gebäude auch ein Flamenco-Studio: Zwar kann Lietz selbst spielen, aber beim Stimmen und Einspielen des Traditionsinstruments überlässt er das „Feintuning“ lieber den Jungs, die den ganzen Tag nichts anderes tun…

Ganz nebenbei erfährt man, dass die Flamenco-Gitarre, obwohl sie mit einem Schlagschutz ausgestattet ist, mit einer „leichteren“ Decke auskommt als die klassische, weil die Saiten flacher auf dem Instrument aufliegen. Dadurch muss der Steg nicht so steil aufgestellt sein, folglich ist der „Zug“ auf die Decke nicht so stark. Wie die beiden Teile, die für eine Decke gefugt werden (ähnlich dem Geigenbau), „übereinander im Baum liegen“ oder wie der Klang mit oder gegen die „Faserrichtung“ schneller oder langsamer weitergeleitet wird, auch das sind physikalische Gesetzmäßigkeiten die der Gitarrenbauer wissen muss. „Da kann man wissenschaftlich drangehen – oder learning by doing“, grinst Lietz. Das sanft-intellektuelle Naturell des großen Mannes mit dem Pferdeschwanz wird manchmal auf überraschende Weise gebrochen. Durch typische Ruhrgebiets-Mentalität, die sich in recht bodenständigen Sprüchen Bahn bricht. Indessen scheint es kein Fachgebiet zu geben, über das Thorsten Sven Lietz nicht erschöpfend berichten kann, ob Holz, Werkzeug oder (historische) Instrumente. Vollends wie eine Geheimwissenschaft kommt es einem vor, wenn von lange ausgetüftelten Lack-Rezepturen oder „Hasenleim“ die Rede ist – letzteren verwendet Lietz gern, weil er nicht so spröde wird wie Knochenleim. Der Geruch: sehr speziell.

Holz, Holz, Holz

Thorsten Lietz bezeichnet sich selbst als „Jäger und Sammler“. Das glaubt sofort, wer die fein säuberlich aufgestapelten Hölzer in den deckenhohen Regalen sieht. In der Regel, so Lietz, kauft er Holz, das noch mehrere Jahre lagern muss (länger gelagertes Holz ist erheblich teurer), für die nötige Luftzirkulation sorgen kleine Abstandshalter zwischen den gesägten Brettern. Wichtig: Die Luftfeuchtigkeit wird über Thermo- beziehungsweise Hygrometer ständig kontrolliert. Lietz zeigt auf einen sogenannten bosnischen Muschelahorn mit auffallender Maserung, mit der Bemerkung, dass dieses Holz auch von Stradivari gern verwendet wurde. Der 46-Jährige liebt es, „so intensiv wie in keinem anderen Gewerk“ mit dem Material Holz umzugehen: Ostindischer und süd-amerikanischer Palisander, Eibe, Weißdorn, Alpenfichte, Zeder – jedes unterscheidet sich in Aussehen und Farbe, Geruch und Klang (ja, auch ein unscheinbares Brett „klingt“ schon). An den Jahresringen lässt sich schnelles oder langsames Wachstum ablesen; die Dichtigkeit bestimmt auch, wie „leicht“ oder „schwer“ ein Holz ist. Einen großen Klotz Königsholz kann man kaum anheben! Geflammt, gestreift – der Kennerblick erkennt sofort, wie das grobe, unbearbeitete Stück Holz im fertig lackierten Zustand aussehen wird. Bei den Instrumenten kommen oftmals seltene und wertvolle Materialien zum Einsatz: ob Palisander und Mahagoni für den Korpus, Ebenholz für das Griffbrett, Intarsien aus Perlmutt, bis hin zur Schellack-Politur. Seit Anfang 2017 greifen übrigens neue Vorschriften des internationalen Artenschutzabkommens (CITES); das bedeutet auch für einen „kleinen“ Gitarrenbauer nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand: So müssen Altbestände an bestimmten Holzarten gemeldet werden.

Alte und neue Liebe

Erstaunen auch beim Blick an die Decke: Unzählige Lauten-Kerne – also „Modell-Formen“ für die unterschiedlichen Lauten-Arten – hängen dort. Während es bei Gitarren gewisse Standards* gibt, fasziniert das uralte Lauteninstrument durch die vielen Gestaltungsmöglichkeiten. Lietz nennt es seine „neue Liebe“; doch der Aufwand ist beträchtlich. Aus bis zu 35 schmalen „Spänen“ formt sich die „Muschel“ – meist kontrastfarbige Zierspäne werden dazwischen eingefügt (zum Beispiel helles Ilex-Holz zwischen dunklem Palisander). Wie filigran die Teile des Instruments sind, merkt man, wenn man eine federleichte Decke in die Hand nimmt, die nur 1,5 Millimeter „dick“ ist. Der Instrumentenbau stellt hohe Anforderungen an das Geschick des Handwerkers. Gehört etwa das Hobeln eines Halses eher zu den gröberen Arbeiten, nimmt er hingegen ein Skalpell, um die kunstvolle Schalloch-Rosette zu schnitzen. Selbst die „Wirbel“ für den Wirbelkasten drechselt Lietz teilweise eigenhändig – aus Pflaumenholz.

Anders als etwa bei Geigen findet man aufgrund der Statik selten Gitarren, die länger als 100 Jahre bespielbar sind. Aber nachbauen kann man sie natürlich! So hatte Lietz das Glück, an einer Original C.F. Martin-Gitarre von 1850 Maß nehmen zu dürfen. 2014 entstand das wunderschöne Exemplar aus Madagascar-Palisander, das kürzlich ein Kunde bei ihm „entdeckte“. Selbst einem professionellen Musiker kann es passieren, dass er hier etwas findet, von dem er nicht wusste, dass es so existiert. Bei einem Instrument, das nach individuellem Wunsch gebaut wird, erfüllt Lietz häufig die Bitte, zwischendurch Fotos aus den verschiedenen Stadien der Herstellung zu schicken. Er spricht deshalb gerne von der „Geschichte“, die es besitzt; ein Stück „Lebensqualität“, wie er das nennt. An der Stelle verschwimmt ein wenig die Perspektive: Meint er jetzt den Kunden oder doch sich selbst?

Ein Ausnahmetalent

Wie seine Umgebung strahlt auch Thorsten Sven Lietz viel Ruhe aus, doch zu spüren ist auch das innere Feuer, das dazu gehört, wenn man seinen Beruf mit solcher Leidenschaft ausübt. Die „Initialzündung“, wie er selbst es ausdrückt, war der Besuch eines Konzerts, bei dem ihn das Spiel auf einer 10-saitigen Gitarre so stark faszinierte, dass er beschloss: „So etwas will ich bauen können“. Doch fand Lietz damals, Anfang der 90er Jahre, keine Lehrstelle. Manch anderer hätte sich vielleicht entmutigen lassen, er versuchte es auf eigene Faust. Bildete sich auf Seminaren weiter und bekam von Personen in der „Szene“ bescheinigt, dass er Talent habe. Die erste eigene Gitarre baute er 1992. Sein Mut wurde belohnt, als er sich in Mittenwald zur Gesellen- und später zur Meisterprüfung anmeldete und bestand – als Jahresbester! Das Meisterstück: eine Jazz-Gitarre, sechs Wochen Handarbeit, damals mit 7500 Euro ** bewertet.

Wenn er etwas größere Räumlichkeiten für sein Handwerk gefunden hat, kann der Instrumentenmacher sich gut vorstellen, selbst auszubilden. Zurzeit bleibt es bei „sporadischen“ Gelegenheiten, sein Wissen zu teilen. So nahm er schon einen Wandergesellen bei sich auf – ein Austausch durchaus „zu beiderseitigem Nutzen“, oder einen Schülerpraktikanten: Für Joshua, gebürtig von den Kapverdischen Inseln, ging damit ein Traum in Erfüllung. Nach zwölf Jahren als (Vollzeit-)Instrumentenbauer und überwiegend Einzelkämpfer macht Thorsten Lietz sich natürlich auch Gedanken darüber, irgendwann die Werkstatt in andere Hände weiterzugeben. Und ist stets interessiert, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Instrumentenbauer scheinen sich per se in ihrer „Nische“ so wohl zu fühlen, dass die Konkurrenz in den Hintergrund tritt. Gut zu merken war das auf der Veranstaltung, die die Handwerkskammer unter dem Titel „kammermusik“ im Frühjahr 2017 durchführte – mit Vortrag, Diskussion, Konzert und verschiedenen Ausstellern, die in lebenden Werkstätten über ihre Fachrichtung informierten. Instrumentenbau ist eben vieles, nur eines nicht: alltäglich.



* die Größe ist relativ festgelegt und Varianz im Wesentlichen nur in der Mensur-Länge
(= Länge der schwingenden Saiten) und Griffbrett-Breite möglich

** heute wohl ein Vielfaches davon

Thorsten Sven Lietz Werkstatt
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Thorsten Sven Lietz Kammermusik
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Thorsten Sven Lietz Gitarrenbau Werkstatt
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