Streichinstrumente in der Werkstatt von Geigenbauer Tobias Krutz, Düsseldorf
HWK Düsseldorf
Streichinstrumente in der Geigenbauer-Werkstatt

Tobias Krutz ist Geigenbauer und Cellist. Seine Instrumente baut er meist in der Tradition der alten Meister.Handwerk und Musik im Einklang

In seiner Werkstatt im Düsseldorfer Stadtteil Flingern hat Tobias Krutz seit eineinhalb Jahren einen zusätzlichen Arbeitsplatz eingerichtet: für eine Langzeitpraktikantin. Die begabte Geigen-Schülerin arbeitet hier einmal in der Woche konzentriert an ihrem eigenen Instrument. Decke und Boden sind schon fertig, Zargen und Reifchen gebogen. Der Geigenbauer, der selbst gerade erstmals Vater geworden ist und zwischen Familien-Wohnsitz Nordhorn und Düsseldorf pendelt, freut sich über so viel Ausdauer, Hingabe und Handgeschicklichkeit. Letzteres kommt nicht von ungefähr: Das jugendliche Musiktalent besucht eine Waldorfschule. Die handwerklichen Fähigkeiten der Schüler an den meisten regulären Schulen werden dagegen viel zu wenig gefordert und gefördert, bedauert Krutz.

Die Eltern, die beide selbst Instrumente spielen, unterstützen ihre Tochter nicht nur in der Liebe zur Musik, sondern auch bei ihrem Wunsch, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Eine Parallele übrigens zu Krutz‘ eigenem Werdegang, dem – Mutter Flötistin und Vater Pianist – die Musikalität quasi in die Wiege gelegt wurde. Dass ein Instrumentenbauer musikalisch ist, klingt zwar wie eine Binsenweisheit, ist aber durchaus nicht selbstverständlich. Die Karriere des Geigenbauers begann seinerzeit mit einer Enttäuschung – Enttäuschung darüber, dass niemand den Klang seines Cellos wiederherstellen konnte, als es beschädigt worden war. Er war noch ein Kind, erinnert sich aber genau: „Besonders gestört hat mich, dass verschiedene Reparaturmaßnahmen „probiert“ wurden – ohne sich mit dem Instrument zu beschäftigen, ohne darauf zu spielen…“ Dieses Erlebnis mag mitverantwortlich für seinen späteren Berufswunsch gewesen sein.

Gehör, gutes Auge, zeichnerische Begabung – das braucht man, um ein Geigenbauer zu werden. Bei Krutz zeigte sich das Talent bereits bei einem Praktikum, das er in der 12. Klasse bei seinem späteren Lehrmeister machte. Und der ihm versicherte: „Wenn du Instrumentenbauer werden willst – die Lehrstelle hast du!“ Er beließ es allerdings nicht bei der handwerklichen Ausbildung, sondern krönte diese durch ein vollständiges Musikstudium. In Musikerkreisen hörte er zuweilen: „Warum wollen Sie noch eine musikalische Ausbildung machen? Eine Stelle in einem Orchester bekommen Sie nie!“ Aber diese Einschätzung widerlegte Krutz nur allzu gerne … Die Vorteile beider Seiten weiß er nun zu nutzen: Als ausgebildeter Cellist versteht er die Bedürfnisse seiner Kunden und kommuniziert mit Ihnen auf Augenhöhe. Und als Handwerksunternehmer kann er die Kontakte aus der Musik sehr gut brauchen. 2007 hat er sich in Düsseldorf selbstständig gemacht und 2012 sein Studium an der Robert-Schumann-Hochschule abgeschlossen. Ein ungewöhnlicher Werdegang? Oder ein künstlerischer und ein handwerklicher Beruf in harmonischer Ergänzung – wie Krutz es sieht.

Eine Wissenschaft für sich

Die sinnlichen Elemente des Handwerks ziehen jeden unwillkürlich in ihren Bann: die warmen Farben der Instrumente, das Naturmaterial Holz mit seinem Duft. Mit der Holzauswahl fängt alles an – eine Wissenschaft für sich! Bereits beim Klopfen „hört“ der Fachmann schon die Güte des Holzes und ist in der Lage zu beurteilen, was später die Klangqualität des fertigen Instruments ausmacht: Tragfähigkeit und leichte Ansprache. Krutz beschafft es bei einem Tonholzhändler in der Schweiz. Gerade findet sich in einer Ecke der Werkstatt das Rohmaterial für einen neuen Auftrag – ein Cello für einen Profimusiker. Kaum zu glauben, dass aus ein paar Stücken Fichtenholz, die wie Kaminscheite aussehen, etwas so Feines wie eine Violine oder ein Violoncello entsteht. Wegen des Verlaufs der Fasern – wichtig für die Schallleitfähigkeit – muss das Holz gespalten werden, und das geht nur mit teurer Handarbeit. Wie überhaupt beim Geigenbau nur wenige Arbeitsschritte maschinell erledigt werden können, so das Aussägen von Decke und Boden oder das Formen der Zargen mit dem Biegeeisen. Es gibt keine Maschine, um die Wölbungen des Korpus oder die typische Form der „Schnecke“ herauszuarbeiten oder die Decke zu glätten. Ein noch so feines Sandpapier würde Kratzer verursachen, deshalb wird eine Ziehklinge aus extrem dünnem Stahl von nur 0,4 mm Stärke verwendet.

Mindestens ein halbes Jahr benötigt Krutz für die Fertigstellung eines Instruments, rund 200 Arbeitsstunden beispielsweise für eine Violine. Zeit braucht nicht nur das Zusammenbauen und Trocknen, sondern auch das Einspielen. Der Klang wird durch die Saiten beeinflusst, aber auch durch Form und Material des Stegs und die Position des Stimmstocks – dieser wird durch das F-Loch zwischen Boden und Decke platziert. Damit alles so zusammenpasst, dass eine freie Schwingung möglich ist, muss der Geigenbauer auch wissen, welche physikalischen Kräfte wo wirken – so „ziehen“ die Saiten beispielsweise an der Decke.

Der feine Unterschied

Geklebt werden die rund 40 einzelnen Teile mit Knochenleim. Dieser wird sehr hart, kann aber durch die kristalline Struktur auch eher aufspringen. Entstehen Risse, müssen diese geleimt und das Instrument neu eingestellt werden. Entscheidend ist schließlich auch der Lack. Krappwurzel erhöht die Lichtbeständigkeit und gibt dem Instrument die intensive, rötliche Farbe. Nach dem Auftrag wird jede der bis zu zehn Schichten verschliffen und zum Schluss poliert. Eine falsche Lackierung kann ein Instrument komplett zerstören! In die Zusammensetzung seines eigenen Lacks hat Krutz sieben Jahre Forschung hineingesteckt. Neben dem Neubau von Instrumenten besteht ein Großteil des täglichen Geschäfts in Reparaturarbeiten. Auch das Reparieren von Geigenbögen gehört dazu, das Bogenmachen selbst hingegen ist ein eigener Handwerksberuf. Auch hier kommt es auf die Qualität an: Bogenhaare bezieht Krutz bevorzugt aus Sibirien, nur bestimmte Pferderassen kommen in Frage – und nur Schimmel.

Weil Musiker in der Regel traditionelle Menschen sind, ist für die meisten Geigenbauer nach wie vor oberstes Ziel, den alten Meistern möglichst nahe zu kommen. Auch Krutz findet, er müsse „das Rad – oder in dem Fall die Geige – nicht neu erfinden“. Doch die Manie, von der Mentalität der klassischen italienischen Vorbilder möglichst viel „abzubekommen“, treibe mitunter seltsame Blüten. Allein in Cremona gibt es mehr als hundert Geigenbauer! Die Angst, Kunden zu verlieren, war übrigens schon vor 300 Jahren vorhanden. Doch das Hüten von „Betriebsgeheimnissen“ hat dem Geigenbau auch geschadet, weil auf diese Weise der Austausch fehlte und Wissen verloren ging. Und so muss Tobias Krutz wohl zum hundertsten Male die unvermeidliche Frage beantworten, worin das Geheimnis einer Stradivari liegt. Nebenbei: Es ist wohl eine Mischung aus vielen Faktoren – Holz, Wölbung, Lackierung, und nicht zuletzt 300 Jahre Spielen auf dem Instrument, um nur einige zu nennen. Das gelassene Selbstbewusstsein kann sich der Geigenbauer leisten: Schließlich versetzt jedes der von ihm geschaffenen Wunderwerke den Kenner in Begeisterung und den Laien in ehrfürchtiges Staunen.

Geigenbau-Werkstatt: Arbeitsplatz
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Geigenbauer Tobias Krutz in seiner Werkstatt in Düsseldorf-Flingern
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Geigenbau: Detail
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Der Geigenbauer mit eigenem Instrument - auf dem Plakat zum "Tag des Musikinstrumentenbaus"
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Frauke Kerkmann

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