Pressemitteilung Nr. 68 vom 14.11.2016Luftreinhaltung versus Wirtschaftsverkehr
Handwerk für Maßnahmenbündel statt Fahrverbote
Handwerkskammer und Kreishandwerkerschaft Düsseldorf schlagen ein Maßnahmenbündel unter Einbezug von Kommune, Stadtwerken und Verkehrsbetrieben vor, um den Stickstoffausstoß in der Landeshauptstadt zu vermindern. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte die Landeshauptstadt vor wenigen Wochen verurteilt, ihren Luftreinhalteplan aufgrund anhaltender Stickstoffdioxid-Überschreitungen binnen Jahresfrist zu verschärfen. Dabei steht auch ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge im Raum – und zwar nicht nur für Düsseldorf, da die Landesregierung auf dem Wege der Sprungrevision gegen das Urteil die Rechtsgrundlage dafür nunmehr höchstrichterlich klären lassen will. „Eine kurzfristige Verbannung des Diesel würde speziell das Handwerk massiv treffen, das seinen Fuhrpark im Zuge der Einführung der Umweltzonen bereits unter erheblichen Anstrengungen modernisiert und weiten teils auf Euro-5/V-Standard gebracht hat,“ erklärte der Präsident der Kammer, Andreas Ehlert am Montag vor Journalisten. 80 Prozent der Handwerkerflotte sind bis dato mit dem robusten Motortyp ausgestattet – „auch deshalb, weil nur wenige Hersteller bislang gas- oder elektrobetriebene Nutzfahrzeuge anbieten“, so Ehlert.
Dass im Handwerk eine Nachfrage nach alternativen Antrieben besteht, dafür sind diejenigen Handwerksunternehmen der beste Beleg, die ihre Lieferwagen trotz der beschränkten Auswahl bereits auf Gas oder e-Mobilität umgestellt haben - und damit positive Erfahrungen machen. So hat etwa die Erkrather Bäckerei Schüren ausschließlich Elektrofahrzeuge und Erdgas-Transporter im Einsatz. Das Familienunternehmen strebt eine komplett CO2-neutrale Betriebsführung an: und das sowohl aus Umweltschutz- wie aus wirtschaftlichen Gründen: 25 % an Unterhaltskosten spart die Firma mit den Gas-Fahrzeugen, und die Elektromobile schlagen mit lediglich 2,75 bis 3 Euro pro 100 Kilometer zu Buche. Auch das mitten in der Düsseldorfer City ansässige SHK-Unternehmen von Kay Schwenzer hat bereits vier leichte Fahrzeuge im Gasbetrieb; zehn weitere Transporter laufen noch mit Diesel, davon allerdings drei neuere mit Aggregaten nach der Euro-6-Norm, „obwohl die Hersteller mit massiven Preisvorteilen für ihre Euro-V-Vehikel geworben haben. Ich würde gerne nach und nach auf Elektrofahrzeuge umstellen. Dafür braucht es aber erst einmal entsprechend ausgestattete Handwerkerfahrzeuge vom Sprinter-Typ, und viel mehr Stromtankstellen,“ gab der Firmenchef am Dienstag vor Journalisten bei einem Ortstermin der Handwerkskammer stellvertretend für die ganze Branchengruppe Einblick in seine Mobilitätssituation. „An Willen zur Umrüstung mangelt es im Handwerk nicht, aber der Markt und die Betriebe brauchen Zeit - und mehr Investitionssicherheit, als die Politik bislang geboten hat“, betonte der Kammerpräsident. Ehlert kritisierte namentlich die EU für „mangelnde Koordination ambitionierter europäischer Vorgaben für die Umgebungsluft mit den Abgasnormen für Neuwagen“. Dadurch seien schadstoffarme Fahrzeuge „viel zu spät“ auf den Markt gekommen. „Selbst die Euro-Norm 6 gewährleistet nicht durchgängig die Einhaltung des Grenzwerts für den Stickstoffausstoß“, monierte der Spitzenrepräsentant des Handwerks; der auch den NRW-Handwerkstag führt. „Das Handwerk will mehr Gesundheitsschutz. Wir halten Fahrverbote allerdings für das völlig falsche Mittel, dies durchzusetzen. Sie sind unverhältnismäßig und kontraproduktiv.“ Ehlert verwies zur Begründung auf die ähnlich von Emissionsüberschreitungen betroffene Stadt München; wo sich nach einer repräsentativen Umfrage der dortigen Handwerkskammer ein Drittel der Handwerksunternehmen bei einem Dieselfahrverbot als in ihrer Existenz bedroht betrachten – und mit ihnen ihre Mitarbeiter. „Für das Düsseldorfer Handwerk träfe diese Konsequenz spiegelbildlich zu“, kommentierte Ehlert.
Die HWK empfiehlt ihrerseits ein Maßnahmenbündel, um die Stickstoffdioxidbelastung in den betroffenen Städten abzusenken. „Eine zügige Umrüstung der Rheinbahn-Busse und der Fahrzeug-Flotte der Stadt und Stadtwerke auf Batterie- und Wasserstoffhybrid-Antrieb und die Umstellung des ruhenden Schiffsverkehrs auf Stromversorgung“ seien für sich genommen „geeignet, bis zu 20 Prozent der derzeitigen NOX-Emissionen zu reduzieren, wurde Ehlert konkret. „Alleine die 200 Linien-Dieselbusse erzeugen ein Siebtel des Stickoxidaufkommens an den Kulminationspunkten der Belastung.“ Stadt und Rheinbahn könnten beim Kauf und der Umrüstung ihrer Fahrzeuge auf alternative Antriebsaggregate mit den Verkehrsunternehmen anderer Großstädte zusammenarbeiten - etwa in Form gemeinsamer Beschaffungsaufträge oder im Rahmen eines Einkaufverbunds.
Weitere Empfehlungen des Handwerks betreffen:
- die Verkehrsverflüssigung durch Grüne Welle und bessere Verkehrsleitung;
- eine „wirksamere Gewerbe-Bestandspflege der Stadtplanung und Wirtschaftsförderung“, um Standorte für Handwerk und Handel in Innenstadtlagen zu erhalten und dadurch als Stadt der kurzen Wege unnötige Verkehre zu vermeiden;
- den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge
- einen „nicht nur punktuellen, sondern systematischen“ Ausbau des Radwegenetzes;
- einen neuen, durchgreifenden Impuls zur Förderung Erneuerbarer Energien im Neubau – etwa im künftigen Glasmacherviertel – sowie bei der Energetischen Gebäudesanierung im Baubestand – das Ganze im Sinne einer Sektorkopplung.
Auch das Handwerk selbst lasse sich in die Pflicht nehmen, kündigte Ehlert an: „Sobald eine Auswahl marktreifer Modelle für alle vom Handwerk genutzten, üblichen Fahrzeuggewichtsklassen am Markt vorhanden ist, werden wir uns in der Handwerksorganisation dafür einsetzen, dass Sammelbestellungen zustande kommen.“ Außerdem plane die Kammer die modellhaften Erfahrungen von Handwerksunternehmen mit alternativen Antriebsarten in Informationstagungen vorstellen, um die Verbreitung zu fördern.
„Wir wollen mehr Gesundheitsschutz“, so das Fazit des Kammerpräsidenten, „und wissen die Stadt bei der Suche nach einer tragfähigen Lösung auch für die Versorgung und Beschäftigung auf unserer Seite. Aber das Problem betrifft nicht nur Düsseldorf. Eine einzige, simple Lösung gibt es nicht. Nur eine breite, gemeinsame.“