Steinmetzmeisterin Anna Staudt
HWK Düsseldorf
Steinmetzmeisterin Anna Staudt

Beste Steinmetzmeisterin mit ungewöhnlichem WerdegangHandwerkliches Wissen kultivieren

Mit großer Selbstverständlichkeit sitzt Anna Staudt – selbstständige Handwerkerin, Chefin, Steinmetzmeisterin – am Schreibtisch des Betriebs im kleinen Düsseldorfer Stadtteil Itter, den ihr Vorgänger und Ausbilder Friedrich Meyer vor gut einem Jahr an sie übergab – zeitgleich zum 50-jährigen Bestehen. Dass Staudt hierher, zu ihren „Wurzeln“, zurückkehren würde, war indes nicht unbedingt abzusehen. Hat sie doch mit gerade mal 35 Jahren schon einen erstaunlichen Weg hinter sich.

Die Gebäude, die Meyer in den 80er Jahren hier auf einer Wiese errichtete, gruppierten sich nach und nach zu dem Gesamtkunstwerk, als das das Werkstatt-Ensemble heute erscheint. Wie alle Räume hat auch dieser so gar nichts von dem, was man gemeinhin mit einem „Büro“ verbindet. Er dient dem Entwerfen, Zeichnen, auch der Präsentation für Kunden. Bilder, Steinproben, kleine und große Modelle, prägen das visuelle Erscheinungsbild. Und alles scheint geordnet, trotz der Fülle an Objekten. Vielleicht liegt es am einheitlichen Farbspektrum – mit Naturtönen und viel Grau und Schwarz…

Staudt streicht mit der Hand über den Stein, während sie erklärt, wie man ihn so bearbeitet, dass Bewegung in der Fläche entsteht. Im Gegensatz zu einer maschinell geschnittenen, glatt polierten Steinplatte wirkt die feinkörnige, gleichmäßige Oberfläche des schwarzen Basalts weich und lebendig. Für das Feine, das Besondere ist außerdem die Auswahl entscheidend: „Wir achten schon beim unbearbeiteten Stein auf die Struktur, auf Proportionen.“ Mitnichten ist nämlich nur der „Findling“ eine glückliche Wahl, sondern auch bei allen anderen Steinen kommt es wesentlich auf das „Sehen“ an. Typisch auch die Verwendung von Granit und Basalt, hauptsächlich europäischem Stein, beispielsweise aus Schweden. Etwas ganz Spezielles sind die säulenförmigen sechs- und achteckigen Hart-Basalte, die so aus dem Steinbruch kommen. Die Art, wie Staudt über die eigenartige „Haut“ spricht, die die einzelnen Stelen voneinander trennt, verrät viel über ihr Verständnis dieses Urmaterials. Eine „Patina“ bekommen übrigens alle Steine. Eine natürliche Veränderung, die man den Menschen erst erklären müsse, so Staudt.

Der Stein, das unbekannte Wesen

Wie überhaupt die Beratung eine große Rolle spielt. Wissen über Stein ist bei den Endverbrauchern kaum vorhanden. Durch das allgegenwärtige Konsumieren von fertigen Produkten ist es für den Kunden ungewohnt, sich erst einmal auf einen Prozess einzulassen und dabei demjenigen zu vertrauen, der „es gelernt hat“. Gleiches gilt für die Texte, bei denen Staudt ebenfalls Empfehlungen gibt. Das, was da „in Stein gemeißelt“ ist, soll am Ende auch bestehen. Obwohl die Interaktion manchmal als anstrengend empfunden wird, steht am Ende oft Dankbarkeit für die erreichte Qualität. Staudt: „Nicht-Standard“ ist so etwas wie die Handlungsmaxime für alle unsere Arbeiten.“

Wer sich so stark vom Mainstream oder gängigen Geschmackstendenzen absetzt, findet es natürlich auch schwer, das „Übliche“ herzustellen. Auf dieses Problem war Anna Staudt schon gestoßen, als sie sich nach der Gesellenprüfung nach einer Stelle umsah – und nichts fand (die Düsseldorfer Werkstatt war auf einen Meister, einen Gesellen plus einen Azubi ausgelegt). So kam es, dass sie 2004 in die Schweiz übersiedelte, wo sie in einem Betrieb mit Schwerpunkt Grabmal arbeitete, und danach bei einem Steinmetz, der auch Restaurierungen vornahm. Generell sei Handwerk in der Schweiz noch auf eine traditionelle Weise verankert, wie es in Deutschland nicht mehr oft anzutreffen sei, meint Staudt. Eine glückliche Fügung: Die Philosophie von Architekt Peter Zumthor hatte die Steinmetzin schon früher für sich entdeckt; so war es keine Frage, dass sie sich als Gasthörerin bei ihm einschrieb, als er im Tessin als Professor an der Accademia di Architettura der Università della Svizzera italiana unterrichtete. Über ein Praktikum kam sie schließlich in sein Architekturbüro in Haldenstein, wo sie sechs Jahre lang die Modellwerkstatt leitete.

Der Architekt von Weltrang benutzt für seine Arbeit noch ganz klassisch Modelle – und die nötigen Techniken wie Abgießen, Abformen von Teilen aus Gips, Silikon oder Beton hatte Staudt als Handwerkerin natürlich von der Pike auf gelernt. Im Studium bleibt manches abstrakt, und es gibt dann Vieles, was man trotz 3D-Simulation am Computer nicht beurteilen kann. Es macht einen Unterschied, ob man das Material wirklich kennt, ob man am Arbeitsmodell die Teile tatsächlich hin- und her bewegt. Um zu erkennen: Wie verändert sich die Gestalt? Das Erlernen von praktischen Fähigkeiten lohne schon deshalb, so Staudt, weil man anders auf die Dinge schaue. Und dieses handwerkliche Wissen müsse man kultivieren.

Nach sechs Jahren genießt sie es, nun wieder etwas zu fertigen, was bleibt. Dass sie bei Zumthor kaum mit Stein arbeitete, störte sie aber nicht, im Gegenteil: „Das war für mich wie ein großes Forschungslabor“. Was sie von dort mitgenommen hat? Die Gewissheit, dass man sich auf das – extrem genau gebaute – Modell verlassen kann. Plante sie beispielsweise ein Landschaftsmodell, konnte das ein beinahe surreales Gefühl auslösen: Wenn man sich dann in der echten Landschaft bewegte, als wäre diese ein begehbares Modell!

Erfahrungsgewinn

Die Erfahrungen, die Anna Staudt aus ihrem Werdegang mitbringt, sind eine Bereicherung. Sogar für einen erfahrenen Steinmetzkollegen wie Martin Vetten, der seit 35 Jahren im Betrieb ist. In einem an die Werkhalle angrenzenden kleinen Raum ist der Steinmetzmeister gerade dabei, mit Hammer und Meißel eine feine Schrift zu hauen. Wieder könnte die Szenerie nicht stimmiger sein – Schriftproben an den Wänden, feine Bleistiftlinien auf Transparentpapier, alles per Hand entworfen. Und obwohl allen Arbeiten der Werkstatt eine bestimmte Formensprache zu eigen ist, die über Jahrzehnte entwickelt wurde, besitzt doch jeder Text einen einzigartigen, nur für diesen Zweck individuell geschaffenen Charakter. 

Über Schriften, wie sie seit der Antike in Stein verewigt wurden – „eine organische Verbindung“ –, kann Vetten aus dem Stand einen Vortrag halten. Und über die Merkmale von Hand gesetzter Texte im Gegensatz zu sandgestrahlten, digitalen Schriften. „Das ist für uns ein „No-Go“, bemerkt er mit einem Lächeln, aber Strenge im Ton… In der Kompromisslosigkeit, was den Qualitätsanspruch an ihre Arbeit betrifft, sind sich beide einig – ein eingespieltes Team. Die blauen Augen von Anna Staudt blicken ruhig, fast heiter. Sie hat die Aufgaben angenommen, die sich aus der Entscheidung für die Übernahme ergeben. Dabei waren mehrere Faktoren zusammengekommen: Sich selbstständig zu machen schien in Deutschland leichter als in der Schweiz, der Kontakt zu Friedrich Meyer war sowieso nie abgerissen, den Meister zu machen, war dann nur der natürliche nächste Schritt. 

Dass sich Veränderungen in der gegenwärtigen Phase des Ausprobierens langsamer vollziehen als gedacht, ist in ihren Augen kein Nachteil. Denn: Das gibt ihr Zeit um sorgfältig abzuwägen zwischen Fortführen und neuem Aufbruch. Neben dem Schwerpunkt Grabmal, der nach wie vor die Haupttätigkeit ausmacht, übernimmt sie verstärkt Aufträge im Bereich Küche und Wohnen, bei denen ihr die Kontakte zur Architekten-Szene nutzen. Testet nebenbei, wie sich Accessoires für den Haushalt („Fettnäpfchen“ heißt ein kleines Butterfässchen) in kleinen Serien vermarkten lassen. Solche Formen fertigt sie, überwiegend in Nassbearbeitung, in der großen Werkstatthalle (weitere Arbeitsplätze, beispielsweise für das Sandstrahlen, finden sich draußen). Modelle in jeder Größe auch hier – wie eine mannsgroße Styroporskulptur, die sich leicht mitnehmen und versetzen lässt, um die Wirkung in der vorgesehenen Umgebung zu prüfen.

Anna Staudt wählt ihre Worte mit Bedacht – auch sprachlich scheint sie die Dinge hin und her zu wenden, um sie aus verschiedenen Positionen zu betrachten. Und wer zuhört, folgt dem unwillkürlich und nimmt ebenfalls einen anderen Blickwinkel ein. Es sind ganz einfache Fragen, die die Steinmetzin stellt, und die doch dazu führen, dass der Betrachter Formen, Beschaffenheit und Funktion von Gegenständen – ob so alltäglich wie ein Spülbecken – ganz neu bewertet.

Anna Staudt Werkstatt
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Anna Staut Steinmetzin
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Vetten Staudt Steinmetzwerkstatt F. Meyer
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Anna Staudt Ehrung Meisterfeier
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